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M&A Recht - Erfolgreicher Stabwechsel | M2R Ansatz - Architektur einer Unternehmensübergabe | Fördermittel - Starthilfe für die Nachfolge | M&A Recht - Goldene Regeln für den Unternehmensverkauf |








Erfolgreicher Stabwechsel

Dr. Thomas Gemmeke, Baker Tilly 
Bernhard Rehbein, Baker Tilly 
 

Rechtliche Kernpunkte der Unternehmens-nachfolge im Mittelstand

1. Einleitung

In Ermangelung einer familieninternen Nachfolgeregelung sehen sich immer mehr Unternehmer mit der nicht immer einfachen Situation konfrontiert, einen familienfremden Nachfolger finden zu müssen – und damit im Rahmen der Nachfolge in aller Regel einem entsprechend versierten Verhandlungspartner als Erwerber gegenüberzustehen. Dieser Artikel stellt die wesentlichen rechtlichen Kernpunkte (und ggf. Fallstricke) des Verhandlungs- und Veräußerungsprozesses in Nachfolgesituationen dar, die von einem veräußernden Unternehmer in einem solchen Prozess zu berücksichtigen sind.

2. Grundüberlegungen

Mit der Entscheidung, sein Unternehmen verkaufen zu wollen, reift bei dem veräußerungswilligen Unternehmer erfahrungsgemäß schnell die Frage heran, an wen verkauft werden soll: Ein „fachfremder", möglicherweise rein gewinnorientierter Finanzinvestor (gar eine „Heuschrecke"1)? Ein strategischer Investor (insbesondere ein Konkurrent)? Das interessierte, bereits bestehende Management?

1) Der Begriff „Heuschreckenschwärme" wurde von Franz Müntefering anlässlich der Programmdebatte der SPD 2005 geprägt, vgl. SPD Programmheft I – Tradition und Fortschritt, Januar 2005, S. 18.

Auf der Suche nach dem passenden Erwerber können die folgenden Kriterien, die üblicherweise zu finden sind, eine Entscheidungsfindung unterstützen:

Finanzinvestor 

pro
  • Professionalität im Verkaufsprozess
  • Vertraulichkeit
  • I.d.R. Erhalt des Unternehmens als solches

contra

  • Niedrigerer Kaufpreis mangels strategischem/Synergiepotential
  • Zeitlich beschränktes Investment
  • Klare Renditeerwartung (Exiterlös)
  • I.d.R. Vorgabe von Mindestgrößen für Investments
  • Etabliertes Management bzw. Überleitung durch Unternehmer erwartet

Stratege

pro

  • Höherer Kaufpreis möglich
  • Fachkenntnis hinsichtlich des Unternehmens & dessen Geschäfts
  • Langfristige Beteiligung

contra

  • Unsichere Vertraulichkeit (Konkurrenten!)
  • Oftmals Umstrukturierungen zur Synergiehebung erforderlich

Darüber hinaus sind weitere persönliche Überlegungen einzubeziehen:

  • Arbeitsplatzschutz für (verdiente) Mitarbeiter (Verwandte?)
  • Erhaltung des „Lebenswerks"
  • Interesse an weiterer Beratung des Unternehmens
  • Eigene Pläne (Wettbewerb?)

Neben den vorstehenden, eher allgemein formulierten Erwägungen wird es üblicherweise noch eine Vielzahl kleinerer und größerer Punkte geben, die ein Unternehmer in seine Überlegungen einfließen lässt.

3. Vertraulichkeit

Während einem Finanzinvestor (so nicht bereits mit Investments im Marktumfeld des Unternehmens aktiv) die Verkaufsabsicht des Unternehmers sowie sensible Informationen eher überlassen werden können, stellt sich die Situation bei einem strategischen Investor, möglicherweise sogar (Teil-)Konkurrenten völlig anders dar. Ein Finanzinvestor wird im Falle des Unterliegens mit seinem Angebot gegenüber Mitinteressenten oder im Falle eines Abbruchs der geplanten Transaktion die bis dahin über das Unternehmen gewonnenen Informationen regelmäßig nicht verwenden (können). Im Gegensatz dazu kann jeder strategische Investor, der sich im geschäftlichen Umfeld des Unternehmens bewegt, von den im Rahmen des Verkaufsprozesses erlangten sensiblen Informationen profitieren. 

Allein das Wissen um einen anstehenden Unternehmensverkauf und die damit einhergehenden Umwälzungen kann im Wettbewerb um den Abschluss eines langfristigen Vertragsverhältnisses beim Kunden oder Lieferanten den Ausschlag für die Bevorzugung eines Konkurrenten geben. Besonders relevant werden Vertraulichkeitsaspekte insbesondere da, wo Konkurrenten lediglich scheinbar Interesse an dem Unternehmen zeigen, letztlich aber von Vorneherein nur auf das Erlangen sensibler Informationen eines Wettbewerbers abzielen. Ohne die Weitergabe – auch sensibler – Informationen wird man aber kaum einen Erwerber finden – welcher vernünftige Unternehmer will schon die sprichwörtliche „Katze im Sack", eine Black Box kaufen?
Es gilt für die Informationspreisgabe daher die Balance zwischen so wenig wie möglich, aber soviel wie nötig zu finden. In einem ersten Schritt sollte sich der Unternehmer gut überlegen, wen er aus seinem „eigenen Lager" überhaupt einweihen will – seine Familie, seinen Steuer-/ Rechtsberater, die Hausbank und/oder ausgewählte (leitende) Angestellte? In einem zweiten Schritt wird dann üblicherweise ein professioneller, sich der Verschwiegenheit unterwerfender Verkaufsberater eingeschaltet, der nicht nur die – zunächst anonyme – Ansprache von potentiellen Interessenten übernimmt, sondern auch sonstige Vorbereitungs-handlungen in die Wege leitet.

Ist ein Interessent zu Gesprächen bereit ist der Zeitpunkt gekommen, eine Vertraulichkeitsvereinbarung (confidentiality agreement) abzuschließen. Erst (und zunächst nur) diese Vereinbarung gibt dem Verkäufer ein Mittel in die Hand, seine Vertraulichkeitsinteressen im Verkaufsprozess wirksam durchzusetzen. Denn innerhalb dieser Vereinbarung mit dem Interessenten werden nicht nur der Umfang der Vertraulichkeitsverpflichtung (Reichweite in Bezug auf Informationen und Verfahrensbeteiligte auf Seiten des Interessenten, Verpflichtung, die gewonnenen Informationen nur für die Entscheidungsfindung in Bezug auf den Unternehmenserwerb zu nutzen), sondern vor allem auch die Konsequenzen eines Verstoßes hiergegen geregelt. Im Idealfall für den Verkäufer enthält eine solche Vereinbarung an dieser Stelle – neben dem grundsätzlichen Recht, Schadensersatz zu fordern – drastische Vertragsstrafen für einen begangenen Verstoß gegen die Vertraulichkeitsverpflichtung. 

Allerdings hängt bereits die Vereinbarung solcher Vertragsstrafen von der Verhandlungsposition (vulgo Verhandlungsmacht) des Verkäufers ab. Ein Verkäufer, der erst händeringend nach Interessenten suchen muss, dürfte hierzu kaum in der Lage sein. Umso mehr ist es – nach Kennenlernen des Interessenten und ggf. eigenen, kurzen Nachforschungen über dessen
Hintergrund – wichtig, nach Abschluss der Vertraulichkeitsvereinbarung nicht alle Informations- dämme „brechen zu lassen", sondern sensible Informationen wohldosiert und –gesteuert herauszugeben. Hierbei sollten folgende Überlegungen einbezogen werden: 

  • Wieviele Kaufinteressenten gibt es (noch)?
  • Wer sind diese (Finanzinvestoren/Strategen)?
  • Sollen mehrere Bieterrunden stattfinden?
  • Gibt es Informationen, die erst kurz vor Kaufvertragsabschluss offengelegt werden sollen?

Um es noch einmal festzuhalten – ganz ohne Informationsweitergabe wird ein Verkaufsprozess nicht funktionieren. Wenn man aber – anhand der vorstehenden Kriterien – die Informationsausgabe nach deren Sensibilität staffelt und dabei gleichzeitig vor Informationsherausgabe die
Ernsthaftigkeit der Kaufinteressenten hinterfragt, erhält man als Verkäufer den – in einem „normalen" Verkaufprozess – weitestmöglichen Schutz vor Informationsmissbrauch. Der Schutz sensibler Unternehmensinformationen ist allerdings nicht zu verwechseln mit dem Zurückhalten
von Informationen über größere Probleme im Unternehmen – auch wenn man diese ungern preisgibt sollte man diese nicht unbedingt bis kurz vor Kaufvertragsunterzeichnung
zurückhalten – andernfalls riskiert man den vollständigen Abbruch der Transaktion. 

Zuletzt sei hier zu erwähnen, dass Kaufinteressenten ihrerseits bei Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung darauf drängen könnten, für einen bestimmten Zeitraum Verhandlungsexklusivität zu bekommen. Ob man als Verkäufer gewillt ist, dies zu akzeptieren, hängt letztlich wesentlich davon ab, ob man weitere, vielversprechende Interessenten hat oder ob es sich ggf. lohnt, mit diesem besonderen Interessenten Exklusivität zu vereinbaren.

4. Verkaufsvorbereitung

Zu den – idealerweise von einem professionellen Verkaufsberater und ggf. schon Steuer- /Rechtsberater begleiteten – Verkaufsvorbereitungen gehören die folgenden Punkte:

  • Schonungslose Selbstanalyse der wirtschaftlichen, finanziellen, steuerlichen & rechtlichen Situation des Unternehmens
  • Gegebenenfalls Durchführung einer Vendor Due Diligence hierzu
  • Bereinigung von aufgedeckten Problemen, soweit möglich („Aufhübschen der Braut")
  • Überlegung der steuerlichen/rechtlichen Strukturierung des Verkaufs
  • Vorbereitung eines anonymen „Teasers" zur Interessentenansprache, ggf. eines detaillierten „Informationsmemorandums" über das Unternehmen und einer Managementpräsentation mit den „Key Facts"
  • Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen mit Kaufinteressenten
  • Abschluss von – rechtlich weitgehend unverbindlichen – Absichtserklärungen (Letter of Intent) mit den Interessenten, die in eine Due Diligence-Prüfung des Unternehmens einsteigen wollen.

An dieser Stelle seien zwei Punkte besonders hervorgehoben: Die Vendor Due Diligence und der Letter of Intent.


4.1 Vendor Due Diligence

Eine vom Verkäufer durchgeführte Due Diligence-Prüfung des Unternehmens (Vendor Due Diligence, VDD) und die Vorlage eines entsprechenden Berichts sind zunächst mit erheblichen Kosten verbunden, führt aber – insbesondere im Falle eines Auktionsverkaufsverfahrens mit
mehreren Bietern – zu einer erheblichen Prozessvereinfachung und damit möglicherweise auch zu einem höheren Kaufpreis. Die Prozessvereinfachung resultiert insbesondere daraus,
dass der jeweilige Interessent bereits einen detaillierten Einblick in das Unternehmen bekommt und seinerseits die Due Diligence Prüfung auf wesentliche Schwerpunkte beschränken kann. 

Dies ist nicht nur kostensparend für den Kaufinteressenten, sondern auch ressourcensparend
für das Unternehmen. Nicht selten sind in Verkaufsprozessen mehrere Mitarbeiter damit beschäftigt, immer neue Informationsanfragen des/der Interessenten zu bearbeiten; diese Anfragen werden durch eine gute VDD erheblich reduziert. Darüber hinaus bildet eine solche VDD aber auch die Grundlage der Selbstanalyse, der Vorab-Problembeseitigung und für die Verkaufsstrukturentscheidung – denn die Ergebnisse der Prüfung liegen erstmal nur dem Verkäufer vor, der es in der Hand hat, möglicherweise nachteilige oder ungünstige Prüfungs-ergebnisse noch zu beheben.

Natürlich können im Rahmen der Berichtserstellung einer solchen VDD auch Umfang und Tiefe des Berichts, insbesondere im Hinblick auf bestehende Probleme bis zu einem gewissen Grad gesteuert werden; sollte ein Kaufinteressent jedoch zu dem Schluss kommen, dass der VDDBericht nur ein wertloses Stück Papier ist, wird er doch in die vollumfängliche Detailprüfung einsteigen – oder, im Worst Case, sich von der Transaktion verabschieden.

4.2 Letter of Intent

Der Abschluss einer Absichtserklärung (Letter of Intent/ Term Sheet) stellt einen weiteren, wichtigen Mosaikstein auf dem Weg zum Unternehmensverkauf dar. Dieser bildet in aller Regel auch den Startschuss zu der eigentlichen Due Diligence Prüfung – und der hierfür erforderlichen Herausgabe von sensiblen Unternehmensinformationen. Innerhalb einer solchen – weitgehend unverbindlichen – Absichtserklärung können schon einzelne Fixpunkte als Grundlage für die Transaktion gesetzt werden – so z.B. die grundsätzliche Mechanik der Kaufpreisermittlung oder der Transaktionsstruktur, aber auch konkrete Aufgaben einer Partei (z.B die des Verkäufers, ein nicht betriebsnotwendiges Grundstück des Unternehmens vor Abschluss der Transaktion zu übernehmen). Soweit eine beidseitige Absichtserklärung überhaupt rechtlich verbindliche Regelungen beinhalten soll, beschränken diese sich regelmäßig auf die folgenden Punkte:

  • Detaillierung der Geheimhaltungspflichten (soweit erforderlich)
  • Vereinbarung der Exklusivität mit dem Verkäufer
  • Vereinbarung einer Strafzahlung (Break-Fee) im Falle eines grundlosen Abbruchs der Transaktion.
  • Tragung der jeweiligen Kosten (Berater, Notargebühren etc.)

Hierbei sind die beiden ersten Punkte grundsätzlich häufiger anzutreffen, während die Vereinbarung einer Break-Fee nicht zum „Standard-Repertoire" einer Unternehmenstransaktion gehört. Lediglich im Falle der Gewährung von Exklusivität ist ein Verkäufer regelmäßig in einer Position, eine „Break Fee" einzufordern; diese beschränkt sich aber nicht selten auf die Übernahme der für den Verkäufer entstandenen Kosten.

5. Kaufpreis 

Die gemeinsame Findung des „richtigen" Kaufpreises ist das Herzstück der Verkaufsverhandlungen – und gerät nicht selten zu einem „buchhalterischen Ringkampf". In den allerwenigsten Fällen wird man zu einem verkäuferfreundlichen festen Kaufpreis (Locked Box) gelangen, an dem (bis auf erforderliche Steueranpassungen) nicht mehr gerüttelt wird. Stattdessen wird der Käufer versuchen, eine sog. cash free/debt free-Regelung zu vereinbaren, bei dem ein Kaufpreis in Höhe des Enterprise Value zuzüglich des vorhandenen Barmittelbestandes und abzüglich der bestehenden Finanzverbindlichkeiten zu zahlen ist – um dann die einzelnen, darunter fallenden Positionen möglichst so eng (Barmittel) bzw. umfassend (Finanzverbindlichkeiten) zu definieren, dass dadurch der Kaufpreis reduziert wird. 

Dies hat zur Folge, dass am Tag des Vollzugs des Unternehmensverkaufs zwar ein als vorläufig vereinbarter Kaufpreis fließt. Dessen endgültige Höhe stellt sich aber erst nach der (regelmäßig zähen und streitanfälligen, erst Monate später erfolgenden) Erstellung von Zwischenabschlüssen und der Bestimmung der Abzugs-/Hinzurechnungsposten heraus.

5.1 Kaufpreiszahlung

Aber nicht nur der Kaufpreis an sich bietet genügend Variationsmöglichkeiten – auch der Weg, wie (und insbesondere wann) er zuletzt dem Verkäufer zufließt wird oft hart verhandelt. Hier muss für den verkaufenden Unternehmer immer die Frage im Hinterkopf stehen: Bekomme ich am Tag meines Unternehmensverkaufs genug? Diese im ersten Augenblick recht platt (wenn nicht sogar gierig) wirkende Fragestellung findet ihre Berechtigung sofort, wenn man sich die von Käufern verschiedentlich geforderten Zahlungsmechanismen genauer anschaut: Der (ggf. vorläufige) Kaufpreis wird am sog. Vollzugstag gezahlt. Hiervon werden möglicherweise abgezogen „„ein erheblicher Kaufpreiseinbehalt für mögliche Garantie-/Freistellungsansprüche, der für X Jahre zu deren Absicherung bereitstehen soll (Escrow);

  • ein Betrag Y, der dem Käufer gestundet bzw. als zinsgünstiges, langfristiges Darlehen gewährt wird (Vendor Loan);
  • ein Betrag von Z, mit dem sich der Verkäufer zunächst an der Erwerbergesellschaft (bei reinen Zweckgesellschaften) beteiligen soll (Rückbeteiligung).

Darüber hinaus versuchen Käufer oftmals, das Risiko der zukünftigen Unternehmensentwicklung kaufpreisreduzierend abzusichern bzw. auf den Verkäufer abzuwälzen. Dies geschieht in der Regel durch eine der beiden nachfolgenden Gestaltungen: 

  • Dem Verkäufer wird lediglich für den Fall des Erreichens entsprechend definierter Unternehmenserfolgsziele in festgelegten Zeitabschnitten die Zahlung eines weiteren (festen oder performanceabhängigen) Betrages als zusätzlicher Kaufpreis zugesagt (Earn out); oder
  • der Verkäufer erhält einen weiteren Betrag als zusätzlichen Kaufpreis erst dann, wenn der Käufer das Unternehmen zu einem vorher definierten Mindestpreis weiterveräußert (Besserungsschein – debtor warrant).

Natürlich kommen die vorgenannten Spielarten der Kaufpreiszahlungsgestaltung nicht alle gleichzeitig vor – aber auch nur einzelne dieser Punkte können die zum Zeitpunkt des Verkaufs tatsächlich eingehenden Geldmittel erheblich reduzieren. Wenn man dann noch die Steuern berücksichtigt, die zumindest teilweise mit dem Tag des Unternehmensverkaufs fällig werden, stellt sich die Frage nach dem „genug" durchaus berechtigt. Hier sollte dringend mit einem Steuerberater abgestimmt werden, wie viele Steuern tatsächlich unmittelbar fällig werden – damit nicht die Steuerlast den ersten Teil der Kaufpreiszahlung weitgehend „auffrisst".

6. Garantien & Freistellungen

Ebenso wie jeder Erwerber eines Produktes heutzutage selbstverständlich erwartet, dass ihm Gewährleistungsrechte zustehen, falls das Produkt nicht mangelfrei ist, so erwartet ein Unternehmenskäufer, dass ihm bestimmte Rechte für den Fall eingeräumt werden, dass das „Produkt" Unternehmen vom vereinbarten Zustand abweicht. Hierzu wird üblicherweise ein umfangreicher Katalog von Garantien vereinbart, der die für den Käufer wichtigen Zustands-merkmale (auch des Verkäufers) abdeckt und ihm im Falle von Abweichungen bestimmte, ebenfalls zu vereinbarende Rechte einräumt.

6.1 Garantien

Einen einheitlichen Garantiekatalog für Unternehmensverkäufe kann und wird es nie geben, dafür ist jedes einzelne Unternehmen zu speziell – ebenso wie die Interessen der beteiligten Parteien. Der Katalog enthält aber regelmäßig die folgenden Themenkomplexe:

  • Eigentum an dem Unternehmen (Anteilen), Bestehen der Anteile, Freiheit von Belastungen, keine Insolvenz
  • Verfügungsmacht des Verkäufers
  • Ordnungsmäßigkeit der Jahresabschlüsse und Bilanzen
  • Immobilien
  • Bestehen und Wirksamkeit wichtiger Verträge
  • Mitarbeiter & Pensionen
  • Öffentlich-rechtliche Genehmigungen
  • Subventionen
  • Versicherungen
  • Keine (wesentlichen) Rechtsstreitigkeiten
  • Ordnungsgemäße steuerliche Situation

Innerhalb dieser Themenkomplexe (und darüber hinaus) sind detaillierte Zusicherungen zu einer Vielzahl von Umständen abzugeben. Gleichzeitig erhält ein Verkäufer aber auch die Möglichkeit, durch sogenannte Offenlegungen (Disclosures) Umstände zu offenbaren, die bereits gegen eine solche Garantie verstoßen würden. Dies hat zur Folge, dass eine Haftung für diese Umstände ausgeschlossen ist (je nach Umfang dieser Umstände wird es sich der Käufer aber nicht nehmen lassen, einen entsprechenden Abschlag auf den Kaufpreis zu fordern).

Auch wenn um die Formulierung von Garantien in den meisten Fällen am härtesten verhandelt und gerungen wird – die Erfahrung zeigt, dass die allerwenigsten Rechtsstreitgkeiten nach einer Transaktion über garantierelevante Sachverhalte geführt werden. In den meisten Fällen geht es vielmehr um die nachträgliche Anpassung des Kaufpreises aufgrund vereinbarter Anpassungsmechanismen – und die Berechnung der einzelnen Beträge. Teilweise erhält man den Eindruck, dass sich die verhandlungsführenden Parteien von vorneherein mehr auf die Garantien als auf die Kaufpreisberechnung „einschießen"; vielleicht liegt das schlicht darin begründet, dass Garantien leichter erfassbar sind als abstrakte Rechenexempel über die Kaufpreisberechnung.





 

6.2 Freistellungen

Als zusätzliches, grundsätzlich schärferes Schwert treten Freistellungen neben die Garantien. Während Steuerfreistellungen dazu dienen, Steuern periodisch zwischen den Parteien aufzuteilen und Steuerlasten, die Zeiträume vor dem wirtschaftlichen Übergang des Unternehmens betreffen, dem Verkäufer aufzuerlegen (der bis zu diesem Zeitpunkt spiegelbildlich auch noch von der Ertragskraft des Unternehmens profitiert hat), so dienen die speziellen Freistellungen der schnellen Durchsetzbarkeit von Ansprüchen des Käufers aufgrund von Sachverhalten, bei denen eine Inanspruchnahme des Unternehmens verhältnismäßig wahrscheinlich ist. 

Als klassisches Beispiel sei hier die Freistellung des Käufers bzw. des Unternehmens für Umwelt-/Altlastenrisiken, insbesondere Sanierungskosten genannt. Sobald ein Unternehmen einen nicht unwesentlichen Produktionsbetrieb führt wird diese Freistellung diskutiert werden (insbesondere bei US-Käufern ein extrem sensibles Thema). Hierbei wird die Gefahr eines behördlichen Einschreitens (und sei es nur zur Untersuchung von letztlich nicht vorhandenen Belastungen) als derart hoch angesehen, dass sich der Käufer davor unbedingt schützen will. Sonstige Freistellungen betreffen beispielsweise die Kostenübernahme
 eines bereits laufenden Rechtsstreits, Kosten aus einer bereits absehbaren Produkthaftung o.ä.

6.3 Rechtsfolgen


Jede Verletzung einer Garantie führt grundsätzlich zu einem Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer, vorbehaltlich etwaiger Haftungsbeschränkungen (hierzu sogleich unter Abschnitt 7). Idealerweise behält der Verkäufer zunächst das Recht, den vertraglich geschuldeten Zustand herzustellen (Naturalrestitution), bevor er zur Zahlung eines Schadensersatzes verpflichtet ist. Demgegenüber liegt der Vorteil von Freistellungen für den Käufer auf der Hand: Während bei Garantien der Käufer zunächst (i) eine Verletzung ermitteln muss, (ii) prüfen muss, ob eventuelle Haftungsbegrenzungen einen Anspruch ausschließen, dann (iii) die Verletzung der Garantie gegenüber dem Verkäufer geltend machen (beweisen) muss und (iv) sich zuletzt mit dem Verkäufer über die Art und Höhe der Ersatzleistungen einigen/streiten muss, kann der Käufer im Falle einer vereinbarten Freistellung häufig bereits durch eine einfache, nachvollziehbare Kostenaufstellung eine Zahlung der vereinbarten Freistellungsleistung veranlassen.

7. Haftungsbegrenzung

Der Gesetzgeber sieht für sämtliche vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüche (inklusive Schadensersatz) feste Verjährungsfristen vor. Im Rahmen von Unternehmenskaufverträgen sind diese jedoch üblicherweise aus Sicht der Beteiligten nicht passend. Hier gilt es zwischen den Vertragsparteien die „richtigen" Fristen zu verhandeln. Verjährungsfristen hinsichtlich des Eigentums an den veräußerten Anteilen und Garantien von vergleichbarer Wichtigkeit werden regelmäßig für einen längeren Zeitraum gewährt (drei bis zehn Jahre). Sonstige Garantien können – ebenso wie die vorstehende – für beliebige Zeiträume gewährt werden, diese Zeiträume bewegen sich aber in aller Regel zwischen sechs Monaten und maximal fünf Jahren.

Neben diesen Verjährungsfristen gibt es noch weitere, gebräuchliche Haftungsbegrenzungen, die einzeln oder in Kombination zum Tragen kommen. Die häufigste, nahezu in jedem Unternehmenskaufvertrag zu findende Haftungsbegrenzung ist eine betragsmäßige Haftungsobergrenze (Cap). Auch bei dieser Grenze finden sich regelmäßig Differenzierungen nach der Wichtigkeit der Garantien. Bei den wesentlichen Garantien ist es meist das Ziel des Verkäufers, die Haftung auf maximal den erhaltenen Kaufpreis zu begrenzen. Für Garantien von geringerer Erheblichkeit gelingt es oftmals, eine niedrigere Haftungsobergrenze prozentual zum erhaltenen
 Kaufpreis zu vereinbaren. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, eine Mindestbetragsschwelle für einzelne Garantieansprüche festzulegen (de minimis-Betrag). 

Dabei geht es um die simple Überlegung, zur Vermeidung von Streitigkeiten über jeden noch so kleinen Garantiefall eine gewisse betragsmäßige Mindestgröße für den einzelnen Garantieanspruch zu vereinbaren, unterhalb derer sich der gemeinsame Aufwand zur Ermittlung und Beseitigung der Garantieverletzung – im Zweifel für beide Seiten – schlichtweg nicht rechnet. Diese Beschränkung „von unten" kann mit der Vereinbarung einer Freigrenze bzw. eines Freibetrags noch ergänzt bzw. erweitert werden. Hierbei handelt es sich um eine weiteren, höheren Mindestbetrag, den die einzelnen, en de minimis-Betrag jeweils überschreitenden Ansprüche insgesamt aufsummiert erreichen müssen, um für die Geltendmachung von Garantieansprüchen in Frage zu kommen. Der Unterschied zwischen Freibetrag und Freigrenze besteht hier lediglich darin, dass bei Erreichen der Freigrenze alle Ansprüche, die bis dato angefallen sind, in voller Höhe (Euro-für-Euro-Basis) geltend gemacht werden können, während bei einem Freibetrag bei Erreichen der vereinbarten Schwelle nur diejenigen Ansprüche geltend gemacht werden können, die betragsmäßig den Freibetrag überschreiten.


8. Wettbewerbsverbote

Ein letzter, sowohl von rechtlicher als auch von tatsächlicher Seite wesentlicher Punkt ist die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten mit dem Verkäufer. Hierdurch will der Käufer sicherstellen, dass der Verkäufer nicht unmittelbar nach Vollzug der Transaktion (oder nach einer weiteren Übergangsperiode, in der der Verkäufer möglicherweise als Berater dem Käufer bzw. dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung steht) seine Geschäft „ein Haus weiter" von Neuem betreibt. Mit einem solchen Wettbewerbsverbot geht daher auch regelmäßig das Verbot einher, Mitarbeiter des Unternehmens abzuwerben. Üblicherweise werden Wettbewerbsverbote – die oft auch den Erwerb von Beteiligungen an Wettbewerbern umfassen – örtlich und inhaltlich auf den aktuellen Wirkungskreis des Unternehmens (ggf. einschließlich des geplanten Wirkungskreises, falls in naher Zukunft die Erschließung konkreter Märkte geplant ist) und zeitlich auf maximal zwei Jahre beschränkt. 

Weitergehende Wettbewerbsverbote können einer gerichtlichen Überprüfung unter Umständen nicht standhalten. Aus Sicht des Käufers ist ein Wettbewerbsverbot allerdings ein stumpfes Schwert, es sei denn, ihm gelingt es, für Verstöße gegen das Verbot eine unmittelbar zu zahlende Vertragsstrafe zu vereinbaren. Auch hier liegt der Unterschied – ähnlich wie bei dem Verhältnis Garantie zur Freistellung – in der Beweis-/Nachweisthematik begründet: Der Nachweis eines konkreten Schadens (und dessen tatsächlicher Höhe) bei Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot ist in den meisten Fällen schwer zu führen, wohingegen die Vertragsstrafe schon fällig wird, wenn nachgewiesen werden kann, dass überhaupt ein irgendwie gearteter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorliegt.


9. Fazit


Es ließen sich noch viele technische Einzelheiten im Rahmen eines Unternehmenskaufs aufzählen - da hierzu aber bereits sehr gute (und sehr dicke) Bücher geschrieben wurden sei an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen. Aus den vorstehenden Erläuterungen ein einheitliches Fazit in Form einer Faustformel oder eines Handlungsvorschlags zu ziehen, ist aufgrund der Vielfalt der möglichen Transaktionskonstellationen nicht möglich. Dem veräußerungswilligen Unternehmer sei zumindest mitgegeben, dass eine solche Transaktion – abgesehen von der bis zur Vertragsunterzeichnung konstant ansteigenden, erheblichen Arbeitsbelastung – aus wirtschaftlichen und meist auch emotionalen Gründen ein gravierender und einschneidender Prozess ist. Daher sollte der Unternehmer bereits im Vorfeld mit seinen Beratern und Vertrauten die möglichen „Go’s" und „No-go’s" abstimmen, um nicht in der Hitze des Gefechts zu Entscheidungen bzw. Zugeständnissen zu gelangen, die man später bereut. 

Die Autoren Dr. Thomas Gemmeke (Rechtsanwalt, Head of Legal, Partner) und Bernhard Rehbein (Rechtsanwalt, Partner) beraten bei Baker Tilly nationale und internationale Mandanten im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen (Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf und Beteiligungen), insbesondere auch im Bereich der Unternehmensnachfolge.